Heilig-Blut-Fest - Inselfeiertag
Veranstaltungsdetails
Das Heilig-Blut-Fest ist der „höchste“ der drei Inselfeiertage, weil es sich auf eine Christus- oder Herrenreliquie bezieht. Also eine Reliquie die direkt auf Jesus Christus hinweist.
Die goldene Zeit des Reichenauer Inselklosters lag zwischen 800 und 1100. In diese Zeit, genauer ins Jahr 925, fällt auch der Erwerb der Heilig-Blut-Reliquie. Wie die Reliquie wohl auf die Reichenau kam, hat ein unbekannter Mönch im 10. Jahrhundert in einem so genannten Translationsbericht schriftlich festgehalten. Die Erzählung schildert den Weg der Überbringung der Blut-Reliquie von Jerusalem auf die Reichenau. Der Bericht umspannt einen Zeitraum von über hundertzwanzig Jahren. In einem ersten Teil wird von der Übergabe an Karl den Großen berichtet, ein zweiter Teil zeichnet den Weg der Reliquie bis zur Reichenau nach, und in einem letzten Teil werden dann die Ereignisse auf der Insel selbst erzählt.
Die Reichenauer Heilig-Blut-Reliquie ist ein kleines, aus vergoldetem Silber gearbeitetes byzantinisches Abtskreuz, das nach der Überlieferung Splitter vom Kreuz Christi und ein blutgetränktes seidenes Tüchlein enthielt. Die Vorderseite des Kreuzchens zeigt in getriebener Arbeit das Bild des Gekreuzigten. Die Rückseite enthält eine griechische Inschrift, um deren Deutung sich viele Wissenschaftler bemüht haben. Die Inschrift soll lauten: "Herr, hilf Hilarion, deinem Knecht und Vorsteher deines Klosters, dem Tzirithon". Der Name und die Schreibart weisen auf die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts als Entstehungszeit des Kreuzleins hin.
Den ersten Beweis für die aufkommende Verehrung dieser Heilig-Blut-Reliquie lieferte Kaiser Otto der Große. Er stiftete schon im Jahr 950 den Zehnten der Kirche Burg (eventuell die linksrheinische Kirche von Stein am Rhein) an die Reichenau, um durch die Einkünfte das Wachs für die Leuchter beschaffen zu können. Bereits vor 946 wurde östlich der damaligen romanischen Doppelapsis des Münsters im Bereich des Mönchsfriedhofs für die Reliquien vom Heiligen Kreuz und Blut eine Heilig-Kreuz-Kapelle (Rotunde) angebaut, die dann 1437 dem Neubau des gotischen Chors zum Opfer fiel. Dieser Rundbau war eine architektonische Kopie der Heilig-Grab-Kirche in Jerusalem. 1634 verbrachte der Ordensgeistliche Maurus Speth die Reliquie in das Zisterzienserinnenkloster Günterstal bei Freiburg, um sie während des 30jährigen Krieges vor den Schweden in Sicherheit zu bringen. 1737 wurde sie wieder entdeckt und auf die Reichenau zurückgebracht. Die Heilig-Blut-Reliquie bekam eine barocke Fassung mit Edelsteinen (Reliquienschild), welche der Goldschmied J. G. Schalch aus Schaffhausen schuf. Den Inhalt des Kreuzes (Holzsplitter und Seidentuch) und das Kreuz selbst barg man, nun sichtbar, dreiteilig unter geschliffenen Bergkristallen. Am 26. Mai 1738 wurde das Heilig-Blut-Reliquiar durch den Konstanzer Fürstbischof Johann Franz von Stauffenberg wieder erstmals öffentlich zur Verehrung gezeigt. Die feierliche Prozession wurde auf einem großen Ölbild, das sich im nördlichen Seitenschiff des Münsters befindet, festgehalten. Seit dem Jahr 1738 wird immer am Montag nach dem Dreifaltigkeitssonntag auf der Reichenau das Heilig-Blut-Fest gefeiert. Der Tag wurde sinnvoller Weise bewusst in die Woche von Dreifaltigkeit und Fronleichnam (Hochfest des Leibes und Blutes Christi) gelegt. In alter Zeit feierte man jeweils am 7. November die Ankunft der Reliquie auf der Reichenau im Jahr 925. Die Heilig-Blut-Reliquie in ihrer Barockfassung erhielt im Jahr 1746 zusätzlich eine Monstranz, in die das Reliquienschild eingehängt wird. Die reiche Zier der Barockmonstranz, die vom Konstanzer Meister Franz Andreas Wech gefertigt wurde, weist auf das im Leiden und Tod vergossene Blut Jesu hin: Die Engel mit den Leidenswerkzeugen; Schilde mit den fünf Geheimnissen des schmerzhaften Rosenkranzes; der mit seinem eigenen Blut seine Jungen nährende Pelikan; das geschlachtete Lamm und die Trauben, aus deren Blut das einmal für uns vergossene Blut des Erlösers in der Eucharistiefeier wird. Die Reliquie wird heute im sogenannten Heilig-Blut-Altar verwahrt, den der Konstanzer Fürstbischof 1739 gestiftet hatte. Bei der am Nachmittag stattfindenden Heilig-Blut-Feier im Münster haben die Gläubigen die Möglichkeit die Reliquie persönlich zu verehren.
Auf der Reichenau haben wir einen wunderbaren Pilgerweg auf den Spuren Jesu Christ. St. Georg zeigt uns mit den Wandmalereien Jesus als den Wundertäter und den Herrn über Leben und Tod. Im Münster mit der Heilig-Blut-Reliquie Christus, der sein Leiden und Sterben am Kreuz auf sich genommen hat, um die Menschheit zu erlösen. Und in St. Peter und Paul ist Christus in der Apsis als Pantokrator (All- oder Weltenherrscher) dargestellt.
An den drei Reichenauer Inselfeiertagen und an Fronleichnam gibt es das sogenannte „Schreckenläuten“. Um 5 Uhr morgens läuten alle Glocken des Münsters. Der Ausdruck „Schrecke“ im Sinne von stark läuten, ist zum ersten Mal in einem Manuskript von St. Blasien aus dem 14. Jahrhundert zu finden. Es geht eigentlich darum, dass die Leute aufgeschreckt werden sollten, damit sie rechtzeitig zu den Gottesdiensten kommen konnten. Am Heilig-Blut-Fest gibt es noch eine Besonderheit in der Läuteordnung. Als Ruf zu den Gottesdiensten werden die Glocken in drei Absätzen (also mit zwei Unterbrechungen) geläutet. Das verdeutlicht nochmals die herausgehobene Bedeutung dieses Pilgertages. Überhaupt haben Glocken auf der Reichenau eine große Bedeutung. Schon Walahfrid Strabo beschreibt schon im 9. Jahrhundert den liturgischen Gebrauch von Glocken. In den drei romanischen Kirchen befinden sich 11 Glocken des Mittelalters aus der Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert, die auch wahrscheinlich alle hier gegossen wurden. Das ist weltweit die größte Dichte und macht die Reichenau auch zu einem einzigartigen Klangerlebnis.
Bei der Prozession am Heilig-Blut-Fest wird der Rosenkranz mit dem Zusatz: „Sei gegrüßt, du kostbares (oder hochheiliges) Blut / von nun an bis in Ewigkeit“ gebetet.
Karl Wehrle